Madeleine Burkert
Jetzt ist schon Halbzeit meines Austauschjahres hier in Brasilien und es ist an der Zeit, ein bisschen von meinen bisherigen Erlebnissen zu berichten.
Ich kann es gar nicht glauben, dass ich jetzt schon meinen Zwischenbericht schreibe. Ich weiß noch zu gut, wie ich zu Hause saß und eifrig Berichte von anderen Austauschschülern gelesen habe. Und nun bin ich es, die von ihrem Austauschjahr berichtet. Ich kann mich noch sehr gut an den Abschied von meinen Freunden und meiner Familie aus Deutschland erinnern, der mir nicht leicht fiel. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen. Ich stand am Flughafen, voller Vorfreude auf Brasilien und habe immer noch nicht richtig realisiert, dass ich jetzt wirklich für 11 Monate das gewohnte Umfeld aus Deutschland verlassen würde. Als ich jedoch all die anderen Austauschschüler in São Paulo am Flughafen traf, wurde es mir langsam klar.
Ich lebe hier in einer kleinen Stadt mit ca. 18000 Einwohnern im Staat Bahia im Nordosten Brasiliens. Neben meinen Gasteltern Vanderlea und Aderlan habe ich noch 3 Gastgeschwister ( Wanderley, 25 Jahre, Lumma, 21 Jahre und Luísa 13 Jahre alt). Doch Wanderley und Lumma leben nicht bei uns zu Hause.
Meine Gastfamilie hat mich herzlich empfangen und ich fühle mich hier pudelwohl. Die Kommunikation war anfangs allerdings sehr schwierig. Ich hatte nur sehr wenig Portugiesisch Vorkenntnisse und in meiner Familie spricht nur Luísa ein bisschen Englisch. Aber irgendwie habe ich es doch geschafft, mich mit Händen und Füßen zu verständigen. Und mittlerweile klappt es auch mit Portugiesisch richtig gut. Ich verstehe in der Schule zwar noch nicht alles, aber das ist nicht schlimm. Wenn ich etwas nicht weiß, erklären es mir meine Mitschüler immer. Ich gehe auf eine kleine Privatschule. Wir sind 15 Schüler in der Klasse. Doch die Lautstärke gleicht der einer deutschen 30 Schüler Klasse. Die Brasilianer sind ein sehr lautes Volk. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sie sich gegenseitig anschreien. Aber das ist nicht so. Sie reden einfach von Natur aus lauter. Am ersten Schultag sind die Italienerin, die auch AFS Austauschschülerin ist, und ich, mit Kuchen, Cola und Fanta in der Klasse begrüßt worden. Das Lehrer – Schüler – Verhältnis war für mich anfangs sehr ungewohnt. Denn die Schüler begrüßen den Lehrer nicht selten mit Küsschen auf die Wange. Doch mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Der Unterricht wird hier meiner Ansicht nach auch nicht so Ernst genommen wie in Deutschland. Denn manchmal verbringt der Lehrer die ganze Schulstunde damit, vom vergangenen Wochenende zu erzählen. Der Lehrer wird hier mehr als ein Freund behandelt. Der Unterricht ist hier auch viel lebhafter als in Deutschland. Allerdings gibt es jeden Samstag Arbeiten und unter der Woche gibt es viele Tests.
Ich verbringe die meiste Zeit mit meiner Gastschwester Luísa. Wir verstehen uns richtig gut. Leider gibt es in meiner Stadt nicht viele Jugendliche in meinem Alter, deshalb unternehme ich mehr mit meinen Cousinen und Cousins. Mit ihnen und einigen anderen aus meiner Großfamilie war ich schon auf der Maracujaplantage von meinem Gastvater. Es war total schön. Ich habe noch nie so große Maracuja gesehen. Außerdem habe ich vor Weihnachten mit anderen Austauschschülern einen Trip nach Foz do Iguacú gemacht. Das sind die weltweit größten Wasserfälle.
Es war traumhaft schön. Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Wasser auf einmal gesehen. Die Wasserfälle liegen am Drei-Länder-Eck Brasilien, Argentinien und Paraguay. Somit haben wir sie von der argentinischen und von der brasilianischen Seite angeschaut. Außerdem sind wir noch nach Paraguay gefahren, weil man dort sehr billig einkaufen kann. Wir waren zudem noch in einem Vogelpark und haben eine Show angeschaut, bei der lateinamerikanische Tänze aufgeführt wurden. Als ich dann wieder zu Hause ankam, stand auch schon Weihnachten vor der Tür. Doch es kam bei mir leider überhaupt keine Weihnachtsstimmung auf. Die Stadt wurde zwar ein bisschen mit Lichtern geschmückt, aber ansonsten hat hier nichts an Weihnachten erinnert. Meine Gastmutter hat mir erklärt, dass sie in der Familie Weihnachten nicht mögen, und deshalb auch keine Weihnachtsgeschenke verteilt werden. Deshalb war es auch nicht so schlimm, dass mein Paket aus Deutschland mit Weihnachtsgeschenken für meine Gastfamilie nicht rechtzeitig ankam. Und leider habe ich auch kein Geschenk bekommen. Die Weihnachtstage verliefen wie jeder andere Tag auch. Wir haben kein besonderes Essen gemacht und es wurde nicht einmal ein Weihnachtsbaum aufgestellt. Ich war deshalb an Weihnachten ein bisschen traurig, weil ich mich schon sehr auf mein Weihnachten in Brasilien gefreut habe. Doch damit, dass wir überhaupt nicht feiern, habe ich nicht gerechnet. Umso schöner war jedoch Silvester. Ich habe zum ersten Mal Silvester am Strand verbracht. Wir haben ein großes Essen gemacht und es hat Musik gespielt. Um 12 Uhr gab es dann ein großes Feuerwerk und ich bin über 7 Wellen gehüpft, denn das soll Glück bringen. Es war ein total heißer Tag. Deshalb sind nach dem Feuerwerk noch einige in den Pool gegangen. Gegen meinen Willen wurde ich auch mit all meinen Klamotten hineingeworfen.
So saß ich dann also an Silvester um 1 Uhr morgens im Pool, während in Deutschland alle mit ihren Winterjacken und Stiefeln in der Kälte standen. Mein brasilianisches Silvester war das komplette Gegenteil zu dem Silvester in Deutschland. Aber ich werde diesen Jahreswechsel so schnell nicht vergessen.
Das Essen hier in Brasilien schmeckt mir total gut. Es gibt total viele Früchte, die ich zuvor noch nie gegessen habe. Und Fruchtsäfte gibt es auch in vielen Varianten. Die werde ich in Deutschland sicherlich vermissen. Ich habe mich mittlerweile sogar schon an die täglichen Bohnen und den Reis gewöhnt. Außerdem gibt es hier jeden Tag Rindfleisch. Schweinefleisch wird nur wenig gegessen. Ein Tag ohne Fleisch habe ich hier noch nie erlebt.
Den zukünftigen Austauschschülern kann ich folgendes mit auf den Weg geben: Ein Austauschjahr ist mit Sicherheit nicht immer leicht, es gibt Höhen und Tiefen. Es ist nicht leicht, seine Familie und Freunde aus der Heimat zu verlassen. Doch es lohnt sich! Ihr macht in eurem Austauschjahr, ganz egal in welchem Land, Erfahrungen fürs Leben. Ihr findet neue Freunde aus der ganzen Welt!!!