Esther Ilg
Mein erster Gedanke, als wir, alle AFS-Austauschschüler, das erste Mal unser Hotel verlassen haben um unsere ersten Eindrücke von Malaysia zu sammeln, war: „Wow ich bekomme keine Luft mehr!“. Zum einen war es so heiß und die Luftfeuchtigkeit war viel höher als in Deutschland und zum anderen war ich so überwältigt von der Größe und den Menschenmengen in der Mitte Kuala Lumpurs.
Ein Mädchen hat in ihrem Blog geschrieben Kuala Lumpur sei auf eine hässliche Weise wunderschön und ich glaube das trifft es auf den Punkt. Da Malaysia im Moment ein Entwicklungsland ist und darauf anstrebt im Jahr 2020 zu den Industrieländern dieser Welt zu gehören trifft man in und um Kuala Lumpur immer wieder auf Baustellen. Überall sind Menschen aller Nationalitäten, ein Hochhaus reiht sich an das andere, genauso wie die vielen Shoppingmalls. Kuala Lumpur wirklich gut zu beschreiben scheint für mich unmöglich, aber ich denke die meisten Menschen, die diese Stadt das erste Mal betreten werden überwältigt sein, genauso wie ich.
Nach dem ersten Monat, den ich in meiner Gastfamilie verbringen durfte hatte ich schon viele Eindrücke gesammelt. Vor allem das Schulleben war für mich sehr anders und eine ziemlich große Umstellung. Der erste große Unterschied war für mich, plötzlich eine Schuluniform tragen zu müssen. Zudem habe ich nur ungefähr 6 Stunden Schule und der Unterricht wird nicht so ernst genommen wie in Deutschland. Weder von den Lehrern, noch von den Schülern. Zum Beispiel betreten manche Lehrer die Unterrichtsstunde mit den Worten, ob sie unterrichten sollen oder ob die Schüler ihre eigenen Aufgaben erledigen wollen. Natürlich endet es meistens mit letzterem, was bedeutet dass die Mehrheit der Schüler nichts macht und sich unterhält. Einige Lehrer erscheinen nicht einmal zu ihren Stunden, weil sie andere Dinge in der Schule zu erledigen haben. Die Arbeiten hingegen haben ein ziemlich hohes Niveau, weshalb die meisten Schüler nachmittags zu einer Art „Extra-Unterricht“ gehen, der Tuition genannt wird.
Dafür ist die Schule bunt und schön gestaltet. Überall sind motivierende Sätze und von den Schülern gemalte Bilder an den Wänden zu finden. Zudem haben die Schüler mehrere Möglichkeiten für verschiedene schulische Aktivitäten, genannt „co-curiculum“ wofür jeder Schüler mittwochnachmittags extra bis abends um 18:00 Uhr in der Schule bleibt.
Eine der wichtigsten Dinge für Malaien ist Essen. Das bemerkte ich schon gleich am Anfang, als jeder Mensch den ich neu getroffen hatte mich fragte wie das Essen in Malaysia sei. Außerdem findet man überall Restaurants oder Essensstände. Für mich ist die Essensauswahl jedoch ziemlich begrenzt, da ich Vegetarierin bin und es hier sehr viele Gerichte gibt, die Fleisch oder Fisch enthalten. Doch durch die verschiedenen Kulturen gibt es wirklich viele verschiedene und meist auch leckere Gerichte in Malaysia. Trotzdem war es für mich zu Beginn ziemlich ungewohnt, das Essen für die Menschen hier eine große Genussrolle spielt, da ich es bevor mehr als notwendigen Bestandteil gesehen habe. Auch war es mir zu Beginn sehr fremd fast täglich zum Essen raus zu gehen, anstatt dass zu Hause gekocht wird. Obwohl meine Gastmutter versucht wenigstens unter der Woche zu kochen, da es gesünder ist. Schwer gefallen ist es mir auch abends warm zu essen, da man in Deutschland zum Abendessen meist kalt ist, hier hingegen jedoch jede Mahlzeit warm ist.
An öffentlichen Plätzen gibt es oft nur sogenannte „Squatting toilets“, was bedeutet dass man in der Hocke aufs Klo gehen muss oder Wasser anstatt Klopapier. Obwohl ich zuvor bei den Vorbereitungs-Camps gewarnt wurde kostete es mich ehrlich gesagt doch eine ziemliche Überwindung auf diese Art aufs Klo zu gehen. Wenn ich jetzt daran zurück denke muss ich schon fast ein bisschen lächeln, da dies wirklich einer der Dinge ist die für mich zur Normalität geworden sind.
Ab und zu vermisse ich jedoch die Freiheiten, die ich in Deutschland hatte und schätze sie nun auch mehr. Die Kinder werden hier nämlich viel mehr behütet, als in Deutschland. Zum Beispiel sind meine Gastschwestern (16-Jährige weibliche Zwillinge) dieses Jahr zum ersten Mal eigenständig Zug gefahren, wobei einige meiner malaiischen Freunde das noch nicht dürfen und von ihren Eltern überall hingefahren werden.
Mein Verhalten gegenüber Traditionen oder älteren Menschen beziehungsweise älteren Familienmitgliedern hat sich sehr geändert. Durch die verschiedenen Kulturen gibt es zwar sehr viele Traditionen in Malaysia. Diese gehen jedoch nach und nach verloren, da die Menschen dem westlichen Bild folgen wollen. Anfangs habe ich mich ehrlich gesagt darüber gefreut auf viele „westliche“ Dinge zu treffen, da es dadurch für mich natürlich einfacher wurde mich einzuleben. Nach den 5 Monaten, die ich jetzt jedoch schon hier bin finde ich es ziemlich schade zu sehen, wie die eigenen Traditionen der Kulturen in Malaysia immer mehr zu verschwinden scheinen und dafür zunehmend westliche Traditionen eingeführt werden.
Eigentlich habe ich so gut wie keine Probleme seit den 5 Monaten in denen ich hier bin, außer dass sich mein Körper immer noch nicht vollständig an die Umstände hier angepasst hat. Nur fällt es mir wirklich schwer meine ehrliche Meinung gegenüber meiner Gastfamilie zu sagen, weil ich mir meistens nicht sicher bin ob es unangebracht wäre wenn ich etwas sage, obwohl ich zu Hause wahrscheinlich schon ausgerastet wäre.
Doch meistens sind die Momente, die ich mit meiner Gastfamilie verbringe, die die mir am meisten Spaß machen und die ich schätzungsweise auch am längsten in Erinnerung behalten werde. Zum Beispiel sind wir, meine Gastfamilie und ich, mit einer Gruppe von Menschen, die rosa Herz-Luftballons in den Händen hielten auf einen Berg hoch gewandert. Ich glaube dieses Erlebnis war wirklich eines der besten, die ich hier erlebt habe!
Das Unangenehmste was mir bisher passiert ist, war als ich mit meiner Gastfamilie zu der Preisverleihung meiner Gastschwester gegangen bin, die bei der „Toyota Eco Youth Challenge“ mit 9 anderen Mädchen unserer Schule teilgenommen hat. Das war noch ziemlich am Anfang meines Austauschjahres, weshalb ich nicht daran gedacht hatte mich‚ in Hinsicht der islamischen Kultur, angemessen anzuziehen. Meine andere Gastschwester und ich hatten kurze Hosen und ein Top an, weshalb die Lehrerin meiner Schule meinte, wir würden das S chuldbild ruinieren. Einerseits ist dieses Ereignis das Schlimmste bisher, aber andererseits habe ich auch dazugelernt und werde diesen Fehler bestimmt kein zweites Mal machen.
Mal abgesehen von den Dingen, die glaube ich Jeder beschreiben würde wenn er wieder nach Hause kommt, wie zum Beispiel die Gastfamilie, die Umgebung, die Schule, das zu Hause, die verschiedenen Feste und Traditionen, … würde ich meiner Familie und meinen Freunden auf jeden Fall den Sporttag meiner Schule beschreiben. An dem Tag wurde ich so ziemlich von der ganzen Schule wie ein „Star“ behandelt. Ich hatte keine 2 Minuten für mich, bevor die nächste Schülerin kam und mich nach einem Foto gefragt hat. Irgendwie fühlte ich mich schon geschmeichelt, aber es hat mich auch überrascht, dass es für die Menschen in Malaysia wirklich so besonders ist einen nicht asiatischen Menschen zu treffen.
Für mich ist es sehr schwer die Jugendlichen meines Gastlandes zu beschreiben, da ich schon sehr viele verschiedene Persönlichkeiten kennen gelernt habe und es mir deshalb ziemlich schwer fällt alle Jugendlichen zu verallgemeinern.
Jedoch konnte ich feststellen, dass sich viele Jugendliche gerne in Shopping Malls treffen, um ihre Freizeit dort zu verbringen oder viele an Mangas oder K-Pop interessiert sind. Natürlich sind auch hier die Jugendlichen an Dingen wie „dem anderen Geschlecht“ oder Social Media interessiert. Nachmittags oder abends nach der Schule sind die meistens Schüler jedoch gezwungen ihre Freizeit in „Tuition“ zu verbringen.
Zukünftigen AFSern würde ich mit auf den Weg geben, dass man wirklich versuchen sollte ohne Vorurteile, bestimmte Vorstellungen oder Erwartungen in das Austauschjahr hineinzugehen. Außerde
m sollte man sich bewusst sein, dass man offen auf die Menschen zugehen muss und nicht erwarten, dass die Anderen auf einen zukommen.
Das Wichtigste jedoch meiner Meinung nach ist, dass man für dieses Jahr sein zu Hause in Deutschland ein bisschen in den Hintergrund rücken lässt und sich auf sein Austauschjahr und die Menschen die einen dort umgeben konzentriert und so viele Erfahrungen wie möglich sammelt!