Fabienne Straßer
Die Türkei war nicht mein erstes Wunschland. Darum war ich anfangs etwas traurig aber die häufig sehr negativen Reaktionen,die ich bekommen habe, wenn ich erzählt habe, dass ich in die Türkei gehe, haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, etwas für die Türkisch-Deutsche Beziehung zu tun.
Fragen wie: „Musst du da ein Kopftuch tragen?“ oder „Und was wenn die dich zwangsverheiraten?“ haben mich echt traurig gemacht und mir gezeigt, wie wenig viele doch wissen.
Mein erster Eindruck, als ich in Istanbul den Flughafen verlassen habe, war: WOW das sieht ja ganz anders aus,als ich es mir vorgestellt habe! Alles war sehr hektisch und der Verkehr … nicht in Worte zufassen. Jeder fährt wie er will und Ampeln scheinen nur als zusätzliche Wegbeleuchtung zu dienen.
Aber auch die vielen Hochhäuser sind mir ins Auge gestochen. In der Türkei wohnt fast niemand in einem eigenen Haus mit Garten, wie bei uns üblich. So gut wie alle wohnen in einer Wohnung der vielen großen Häuserblocks.
Und überall: die türkische Flagge. Jeder hat eine!
So gut wie jeder hier ist stolz auf sein Heimatland!! In jedem Schulbuch ist ein Bild von Gründer und „Vater der Türken“ M. Kemal Atatürk und die Nationalhymne abgedruckt. Alle sind stolz auf ihn und verehren ihn. Mir wurde anfangs sogar geraten, keine Schokolade von einer gewissen Firma zu kaufen, weil sie nicht hinter Atatürk stehen.
Für mich war das am Anfang sehr ungewohnt. Und auch meine Klassenkameraden konnten nicht verstehen,dass ich nicht unbedingt stolz darauf bin, eine Deutsche zu sein.
Die Frage nach meinem besten Erlebnis aber, ist schwer zu beantworten.
Ich hatte in den ganzen zehn Monaten so viele tolle Erlebnisse und so viel, an das ich mich immer erinnern werde. So viel, an das ich jetzt noch gerne denke!!
Vielleicht was es das erste Mal, an dem ich meine Gastfamilie getroffen habe. Ich weiß noch genau wie aufgeregt ich war. Dann kamen wir in den Raum des AFS-Büros und meine Gasteltern standen da mit einem großen Plakat auf dem :“Welcome Fabi“ stand!! Sie haben mich sofort in dem Arm genommen und mich herzlich angelächelt!! ich wusste gleich, dass wir uns verstehen würden.
Aber auch mein erster Schultag wird mir sicher immer in Erinnerung bleiben. Ich stand da mit meiner Mutter. Alle haben,wie Montag morgens üblich, die Nationalhymne gesungen. Dann kam unser Direktor mit einem Mädchen im Schlepptau. Sie hat mich gleich angelächelt und ehe ich bis drei zählen konnte, hatte sie mich schon am Arm gepackt und zu den Mädchen ihrer Klasse gezogen. Alle haben mich auf einmal mit Fragen gelöchert…
Egal wo man in der Türkei ist, egal woher man kommt und egal wohin man geht, man wird immer freundlich aufgenommen. Ich wusste, dass die Türkei ein gastfreundliches Land ist, aber diese übergroße Gastfreundschaft beeindruckte mich das ganze Jahr über!
Nach ungefähr einem Monat in Ankara habe ich einer Freundin erzählt, dass ich gern auf eine türkische Hochzeit gehen würde. Ohne zu überlegen lud sie mich dann gleich auf die Hochzeit ihrer Cousine ein, die an diesem Wochenende noch heiraten sollte. Ich habe lange überlegt, ob ich wirklich gehen soll. Schließlich war ich nicht vom Brautpaar selbst eingeladen.
Auf der Hochzeit hat man das aber überhaupt nicht gespürt. Ich wurde begrüßt wie ein langjähriges Familienmitglied. Ich glaube so etwas ist nur in der Türkei möglich.
Bis zum Ende meines Auslandsjahres wurde ich noch von Müttern, Omas oder Tanten zum Essen eingeladen, die mich lediglich von Erzählungen meiner Klassenkameraden kannten.
Die Türken sind nicht nur Gastfreundlich, sie teilen auch für ihr Leben gern. Und darum teilen sie wirklich so gut wie alles. Wenn einer in der Klasse Schokolade kauft, bietet er es bestimmt fünf Freunden an, bevor er selbst was davon isst. Ich liebe dieses selbstverständliche Teilen und habe es mir auch angewöhnt.
Es gibt nur sehr selten Gründe sich zu beeilen. Wenn man zu spät kommt, kommt man eben zu spät. (Hauptsache man kommt überhaupt)
Ich liebe diese Gelassenheit. Man macht sich heute noch nicht viele Gedanken über morgen. Vieles wird einfach spontan entschieden. Warum sollte man sich auch Sorgen machen, bevor es soweit ist!?
Am Anfang hat mein Gastvater mich oft belächelt und gemeint: „Relax, Fabienne, relax!“ ,wenn ich mal wieder in Hektik ausgebrochen war.
In den ersten Monaten fiel es mir schwer aber jetzt vermisse ich es richtig, wenn ich mich hier im verplanten und überpünktlichen Deutschland umschaue.
Zu den zukünftigen AFSern kann ich nur sagen: Probier alles aus. Ob es sich um Essen handelt oder etwas anderes. Aber tut nichts, das sich nicht richtig anfühlt!!!